Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

die „fetten“ Jahre sind – zumindest vorerst – vorbei. So könnte die Überschrift über den Haushaltsentwurf 2021 lauten.

Zum besseren Verständnis muss hier ein Blick in die vergangene Ratsperiode von 2014 bis 2020 geworfen werden, weil dadurch deutlich wird, dass die Haushalte der Stadt schon seit Jahren und auch jetzt wieder an strukturellen Schwächen leiden.

Zum Jahresbeginn 2017 wurden die Gewerbesteuer und die Grundsteuer A und B erhöht. Das Volumen der Erhöhungen betrug ca. 1,15 Mio. € jährlich. Begründung der damaligen Ratsmehrheit: dies sei zur Verbesserung der Liquidität erforderlich. Zwar wurden die Erhöhungen zum 1.1.2020 im Bereich der Grundsteuer A und B wieder zurückgenommen mit einem Volumen von ca. 400.000 € jährlich. Letztlich verblieb aber aus der letzten Ratsperiode – auch wenn es von einigen anders behauptet wird – eine Steuererhöhung von rund 750.000 € jährlich.
Die Mehreinnahmen wurden aber nicht zur Verbesserung der Liquidität – wie es begründet war – verwendet. Das zusätzlich eingenommene Geld wurde direkt wieder ausgegeben, sozusagen „verfrühstückt“. Die Investitionsquote der Stadt ist seit Jahren stark überdurchschnittlich, beträgt teilweise mehr als das Doppelte im Vergleich mit etwa gleich großen Kommunen in NRW.

Investitionen sind ja grundsätzlich was Gutes. Es kommt aber darauf an, dass es sich um sinnvolle Investitionen für die Bürgerinnen und Bürger handelt. Zuschüsse an die T.W.O. zwecks Kapitalerhöhung gehören für die FDP eindeutig nicht dazu. Im Gegensatz dazu befürworten wir Investitionen in den Wohnungsbau wie zum Beispiel die Entwicklung des Wohngebiets Masch auf den bisherigen Sportplätzen und die Neubebauung am Sandkamp. In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu der von Grünen losgetretenen Diskussion um Einfamilienhäuser. Mit uns wird es weder ein Verbot noch eine Verhinderung des Baus von Einfamilienhäusern geben. Jede Bürgerin und jeder Bürger muss die Wahlfreiheit haben, selbst zu entscheiden, wie sie bzw. er wohnen möchte.

Die hohen Investitionen ziehen auch enorme Folgekosten nach sich zum Beispiel für Personal und Planungen. So hat allein die Beauftragung zweier Fachbüros bezüglich fachtechnischer Fragestellungen im Bereich Gebäudetechnik in den Jahren 2019 und 2020 in Summe Kosten von über 400.000 € verursacht und führt jetzt dazu, dass eine zusätzliche Stelle „Gebäudetechnik“ im Stellenplan geschaffen wird. Kosten: knapp 70.000 € jährlich.

Und: Hohe Investitionen führen auch zu hohen Abschreibungen mit den entsprechenden Auswirkungen auf das Ergebnis.

Die FDP kritisiert seit Jahren den viel zu umfangreichen Immobilienbestand der Stadt Halle (Westfalen). Und nicht nur das: Viele Immobilien, die nicht selbst benötigt werden, sind viel zu lange im Besitz der Stadt. Eine schnellere Veräußerung würde die Liquidität verbessern und die Einsparung von Folgekosten – wie eben erwähnt – bedeuten. Und: Für die Unterhaltung, Sanierung und energetische Ertüchtigung des städtischen Immobilienbesitzes werden in den nächsten Jahren Ausgaben von etlichen Millionen € nötig sein. Das gilt es zu verringern, auch angesichts sinkender Einnahmen. Und das geht nur mit einer deutlichen Verringerung des städtischen Immobilienbesitzes durch Verkauf aller nicht selbst benötigten Objekte.

Der vom Herrn Bürgermeister eingebrachte Haushaltsentwurf ist noch geprägt von Ausgaben, die in der letzten Ratsperiode beschlossen wurden. Ich will jetzt gar nicht das Für und Wider einzelner Maßnahmen aufführen. Dazu wurde in den damaligen Beratungen schon genug gesagt. Gleichwohl konnte ich Bestrebungen erkennen, die Ausgaben der verschlechterten Einnahmesituation anzupassen. Das führte letztlich dazu, dass ich auf der Basis des vom Herrn Bürgermeister eingebrachten Entwurfs dem Haushalt zugestimmt hätte.

Positiv sind aus Sicht der FDP die Investitionen in die Zukunft durch Digitalisierung insbesondere auch unserer Schulen. Das wird von der FDP seit langem gefordert, zuletzt durch einen Antrag zu einer Digitalisierungsstrategie von Februar 2020.

In den letzten Wochen wurden jedoch durch verschiedene Fraktionen Anträge gestellt und in den Ausschüssen beschlossen, die erhebliche Mehrausgaben verursachen, die aus meiner Sicht zum Teil nicht begründet sind. Als Beispiel möchte ich hier die vorgezogene Planung für den Umbau der Alleestraße und der unteren Bahnhofstraße nennen. Begründet wird dies von den Fraktionen der Grünen, der SPD und der UWG mit einer notwendigen Verbesserung der Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger. Fakt ist: Diese Straßen sind keine Unfallschwerpunkte. Der Sicherheitsaspekt scheint mir deshalb nur vorgeschoben zu sein. Inzwischen hört man aus diesen Fraktionen immer deutlicher, worum es in Wahrheit geht. Eine autoarme oder gar autofreie Kernstadt. Diese einseitige „Anti-Auto-Politik“ wird von der FDP und von mir ausdrücklich abgelehnt.

Richtig ist aus meiner Sicht, die Verkehrsplanung für die gesamte Stadt – und dazu gehört für die FDP selbstverständlich auch die Entwicklung eines innerstädtischen Radwege-Netzes – in den anstehenden Leitbild-Prozess mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung einzubetten. Die dafür bereitgestellten Mittel begrüßen wir ausdrücklich. Aber hierbei die Alleestraße als eine der wichtigsten Verkehrsadern derStadt (Autobahnzubringer) auszuklammern und für sich alleine zu betrachten, ist für die FDP nicht begründet – und auch nicht begründbar.

Ein weiteres Beispiel ist die von den Grünen und der SPD beantragte Erhöhung der Mittel für die Umgestaltung des Schulhofs der Gesamtschule. Einschließlich Planungskosten sollen dafür jetzt bis 2023 345.000 € ausgegeben werden. Das passt zumindest der Höhe nach nicht in diese Zeit schrumpfender Einnahmen.

Ich möchte jetzt hier nicht eine Reihe weiterer einzelner Positionen im Haushalt ansprechen. Vielmehr möchte ich alle Ratsmitglieder dazu aufrufen, auch bezüglich des Haushalts an das in letzter Zeit so häufig gebrauchte Wort „Nachhaltigkeit“ zu denken. Aus Sicht der FDP ist auch eine finanzpolitische Nachhaltigkeit zwingend notwendig, damit wir die Lasten unseres jetzigen Handelns nicht den nachfolgenden Generationen überlassen. Dies auch vor dem Hintergrund, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Wir alle wissen schon heute, dass in den nächsten Jahren mit der Kläranlage Kosten von rund 25 Millionen € (reicht das?, oder werden es vielleicht sogar 30 Millionen €?) auf uns zukommen. Und da haben wir keinen Spielraum, das ist eine Pflicht-Ausgabe. Und indem wir unsere Verwaltung nicht mit zu vielen Anträgen überfordern und dies zur Folge hat, dass Fristen nicht eingehaltenwerden können und Fördermittel von 4 oder 5 Millionen € „verschenkt“ werden. Das wäre aus Sicht der FDP eine selbstverschuldete Katastrophe. Noch können wir das gemeinsam verhindern.

Den Haushalt 2021 lehne ich aus den aufgeführten Gründen ab.

Mein Dank gilt der Verwaltung, insbesondere dem Team der Kämmerei, für die Zusammenstellung dieses umfangreichen Zahlenwerks. Persönlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Strieckmann für seine kompetente und sehr hilfreiche Unterstützung für unsere Haushaltsberatungen.

Ganz besonders möchte ich mich jedoch bei den vielen Bürgerinnen und Bürgern bedanken, die uns durch Hinweise, Vorschläge und Kritik durch unsere Haushaltsberatungen begleitet und unterstützt haben. Für die FDP Halle (Westfalen) und auch für mich persönlich ist das sehr wichtig und wertvoll. Wir sind auch weiterhin offen für Kritik und Unterstützung. Sprechen Sie uns an, wenn Sie Wünsche haben und / oder bei uns mitarbeiten wollen. Meine Kontaktdaten finden Sie ganz oben. Danke.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Harald Stützlein
Für die FDP Halle (Westfalen)